Spektakuläre
Ortsnamen aus
Sachsen-Anhalt

 

 

 







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Von der Barriere Rehm bis Bierstedt
Die große Geschichte überdauert hat auch die Zoll-Hebestelle bei Walbeck, die Barriere Rehm. Hier erhob das Herzogtum Magdeburg und später der König von Preußen seinen Wegezoll von all jenen, die vom Herzogtum Braunschweig herüberkamen. Gleichzeitig gehörte zu der Hebestelle, dann Barriere auch ein Ausspann. Es mögen wohl mehr als dreihundert Jahre sein, dass hier für die Reisenden, Kuriere und Handelsleute Bier ausgeschenkt und eine Mahlzeit gereicht wurde. So ganz genau weiß es auf Anhieb nicht mal der heutige Wirt der „Barriere Rehm“ Roland Kraus. Einstmals auch als eigene Poststelle ausgewiesen gehört es heute zu Walbeck. Rehm nennt die Bevölkerung den Wald, in dem sich die Barriere befindet. Ein Besuch an dieser historischen Stätte lohnt sich allemal.

Zudem nicht weit entfernt, bei Gardelegen, die Barriere Zienau, zu finden ist. Dr. Becker vom Stadtmuseum Gardelegen informiert mich aber darüber, dass es hier nicht wie im Falle Rehm um eine Grenzstation, sondern um eine Hebestelle für die Chausseegebühren handelte. Nur wenigen Lesern wird bekannt sein, dass Preußen Ende des 18. Jahrhunderts für das Befahren neu gebauter Kunststraßen Gebühren erhob. Dazu wurden an den Stadtausgängen Chausseewärter eingesetzt, die in kleinen Häuschen am Schlagbaum saßen und die Reisenden gegen Zahlung Passieren ließen.

Treffen sich drei Friesen auf einem Berg ... so oder ähnlich könnte jener Bergwitz begonnen haben, unweit der Stadt Kemberg im Wittenbergischen. Dort gibt es nämlich ein Dorf mit dem Namen Bergwitz. Und warum gerade drei Friesen? Genau diese bevölkerten Mitte des 12. Jahrhunderts den einst slawischen Ort Birkosov. Über Berkgzow veränderte sich allmählich der Name des Ortes in Bergwitz, der heute Ortsteil von Kemberg ist.

Ein recht ungewöhnlicher Ortsname führt uns nach Zerbst. Hier gibt es ein Dorf, welches nach einem antiken griechischen Namen benannt wurde: Bias. In der Antike trägt einer der sieben Weisen den Namen Bias. Diesem großen Mann aus Ionien wird beispielsweise die Weisheit zugeschrieben, dass nur jene Demokratie die beste sei, in der alle das Gesetz fürchten wie einen Tyrannen. Aber auch der Ausspruch „Nimm die Weisheit von der Jugend bis zum Alter als Reisevorrat - denn das ist beständiger als die anderen Besitztümer“ ist von jenem Bias. Aber wie nur kommt der heutige Ortsteil von Zerbst zu jenem großen Namen? Zudem auch zwei französische Kommunen diesen Namen tragen. Herr Friedrich vom Museum Zerbst gibt Auskunft: „Der Name Bias stammt vom Besitz der Familie des Vyhatz. Das gesamte Gebiet war slawisch und es wurde auch bis weit über das 13. Jahrhundert hinaus slawisch gesprochen.“ Nach Vermutungen taucht der Ort bereits 1003 erstmals als Uuieze in den Chroniken auf. Sicher ist die Wissenschaft sich aber erst mit der Urkundennennung im Jahre 1215 als Wias. Im 12. Jahrhundert kamen dann Flamen und Sachsen, die die Slawen mehr und mehr verdrängten.

Die nächsten beiden Ortsnamen verweisen auf das Lieblingsgetränk der Deutschen (neben Wasser, Kaffee, Tee und Milch), nämlich das Bier. Da wäre als Erstes das mit knapp 2.500 Einwohner recht große Dorf Biere bei Schönebeck. Heute ist es Ortsteil der Gemeinde Bördeland. Auf einer Urkunde Ottos des Großen taucht Biere das erste Mal 937 als Bigera auf. Und schon wird uns der Zahn gezogen, dass der Namensgeber auch wirklich unser erfrischendes Getränk war. Obwohl um Flüssigkeit geht es schon. Bigera bedeutet am fließenden Wasser. Heute fließt aber nur noch ein kleiner Pastorgraben durch Biere. „Viele, viele Quellen sprudeln bis heute in Biere. Diese versorgen auch den Pastorgraben mit Wasser“, klärt Ortsbürgermeister Peter Buchwald auf. Nun denn, so haben wir zumindest das erfahren. Zum Bier und Biere aber gibt es leider nicht eine Anekdote.

Der andere Ort ist Bierstedt, eigentlich Groß und Klein Bierstedt - oder, wie mir Friedhelm Heinecke, Leiter der Museen im Altmarkkreis verrät, Dütsch und Wendisch Bierstede. Das deshalb, weil die nördliche Altmark stets Grenzland zwischen den Wenden und Germanen war. Beide Orte gehören heute zu Rohrberg. Bierstedt ist ja auch ein recht häufiger Familienname. Kommt der genealogische Stamm aus jenen Dörfern der nordwestlichen Altmark? Der Familienname ist hier wirklich nicht selten. Herr Heinecke verweist auf Bierstedts, die in der Stadtgeschichte von Salzwedel eine bedeutende Rolle gespielt haben. Im Freilichtmuseum Diesdorf ist heute ein Hallenhaus aus Maxdorf, welches 1797 erbaut wurde - auch hier blieben die Eigentümer stets eine Familie Bierstedt.

Um das Großsteingrab bei Bierstedt rankt sich eine Sage. Die Magd Ilse diente auf einem Hof in Groß Bierstedt und ließ sich vom Sohn des Großbauern verführen, als dieser versprach, sie zu ehelichen. Doch dieser hielt sein Wort nicht. Sie wurde schwanger und wusste sich schließlich keinen Rat mehr. So erhängte sie sich am Webstuhl. Ihre Leiche wurde verschart und große Steine darüber gerollt. Ein Sturm erhob sich und der ehrlose Bauernbursche wurde von einem Ast erschlagen. Ilse hingegen findet bis heute keine Ruhe und erscheint als Geist.

Die Barriere Rehm um 1919.

 

 

Das Großsteingrab bei Bierstedt