Kolumne des Monats
|
Das Wort zum Wort
Jetzt haben wir es schwarz auf
weiß. Das Unwort des Jahres
2015 lautet: Gutmensch. Da
müssen wir aber verdammt umdenken. Das Wort setzt sich nämlich zusammen
aus gut und Mensch. „Gut“,
habe ich bis jetzt immer gedacht, ist ja
das Gegenteil von schlecht. Was gut ist,
kann also nicht schlecht sein. Obwohl da
schon ab und zu Zweifel aufkamen. Zum
Beispiel beim „Gutfleisch“-Skandal, als
die halbverreckten und verwahrlosten
Schweine in den Ställen gefunden wurden,
die vor sich hinbluteten, und die Verantwortlichen
sagten: Gut, die kämen eh
in die Blutwurst. Aber wenden wir uns lieber
angenehmeren Dingen zu. Gutedel,
z.B. Dieser Wein ist gut und edel. Und
nachdem er mehrere davon genippelt
hatte war selbst Goethe der Meinung
„Edel sei der Mensch – hilfreich und gut.“
Auch Maxim Gorki fand: „Ein Mensch,
wie stolz das klingt!“ Gut, bei Gorki weiß
ich jetzt gar nicht, ob das noch so gut ist,
wenn man den Sowjetmenschen heute
noch zitiert. Dann schon eher Adolf Hitler.
„Mein Kampf“ darf ja wieder im
Schrank stehen. Und darin wird die Vorsilbe
gut wiederholt in abwertendem Zusammenhang
gebraucht. Hab ich gelesen.
Also, jetzt nicht in „Mein Kampf“,
sondern in mei´m Wikipedia. Aber wer die
Schwarte schon gekauft hat, kann das ja
gerne überprüfen, dass da drin diejenigen
als gutmeinende und gutmütige Menschen
bezeichnet wurden, die den Feinden des
deutschen Volkes in die Hände spielten.
Also den Juden. Und wer denen half, war
eben ein Judmensch. Das war natürlich
jetzt Kokolores. Fakt ist: Wer heute zwischen
Moslems und Islamisten, Flüchtlingen
und Kriminellen noch unterscheiden kann,
wer Krötenzäune aufstellt, ein Päckchen
für den Nachbarn annimmt oder einer
Oma über die Straße hilft, wird verächtlich
gemacht und gleichzeitig verantwortlich,
für alles, was in dieser Gesellschaft
schief läuft. In einer Zeit, in der Krieg zum
Friedenseinsatz, Überwachung zum Schutz
der Freiheit, die Verlautbarungen der Bundesregierung
zur Wahrheit erklärt werden
und das Dschungelcamp zur Kultur, dagegen
aber Hilfsbereitschaft als naiv, dumm
und weltfremd gilt, kehrt sich natürlich auch
der ursprüngliche Bedeutungsinhalt von
„Gut“ und „Mensch“ ins pure Gegenteil
um. So wird eben der Gutmensch zum
Unwort und der Unmensch zum Gutwort.
|