Es spricht für die langsame geistige Selbstfindung derDeutschen, dass sich in den letzten Jahren wieder eine
differenzierte Betrachtungsweise in Bezug auf Otto von
Bismarck, eine der bedeutendsten Persönlichkeiten unseres
Landes, durchzusetzen beginnt. „Es ist so viel
Müssen in meinem Leben, dass ich selten zum Wollen
komme“, schrieb Bismarck einmal seiner Schwester. In
der Tat ist Bismarcks Lebensweg der Weg eines Mannes,
der zum Schaffen und Kämpfen bestimmt war, nicht
zum Feiern und zum idyllischen Lebenswandel.
Otto von Bismarck, welcher in der ZDF-Umfrage nach
den 100 größten Deutschen vor einigen Jahren Platz 9
belegte, wurde am 1. April 1815 im altmärkischen Schönhausen
geboren. Sein Vater, Ferdinand von Bismarck,
preußischer Rittmeister, bewirtschaftete seine Güter in
Schönhausen und später in Pommern und vermählte sich
1806 mit Wilhelmine Mencken. Der Ehe entsprossen
sechs Kinder, von denen Otto das vierte war. Er wuchs
auf in der Atmosphäre eines Hauses,
das in seinen Anschauungen
von Friedrich dem Großen
und den Befreiungskriegen
geprägt war.
Nach dem Studium
der Rechtswissenschaften
in Ber-lin und Göttingen
ging er in den
Staatsdienst, verließ
ihn unbefriedigt
1839 und
bewirtschaftete
die Familiengüter
in Pommern. Nach
dem Tode seines
Vaters kümmerte
er sich um Schönhausen, wo er Deichhauptmann und
Abgeordneter im Landtag der preußischen Provinz Sachsen
wurde. Beim Ausbruch der deutschen Revolution
1848 versuchte er den preußischen König Friedrich
Wilhelm IV. für eine Gegenrevolution zu gewinnen. Er reiste nach Magdeburg, um dort erfolglos den Kommandanten
von seiner Unternehmung zu überzeugen.
Dann wandte er sich mit einem Schreiben an eine Magdeburger
Zeitung, in dem er „das Recht der freien Meinungsäußerung
auch für sich in Anspruch nahm“, trat
vor dem Landtag auf und rief: „Wenn es wirklich gelingt,
auf dem neuen Wege (bürgerliche Revolution), der
jetzt eingeschlagen ist, ein einiges deutsches Vaterland,
einen glücklichen oder auch nur gesetzmäßig geordneten
Zustand zu erlangen, dann wird der Augenblick gekommen
sein, wo ich dem Urheber der neuen Ordnung
der Dinge meinen Dank aussprechen kann, jetzt aber
ist es mir nicht möglich.“ 1851 bis 1859 war Bismarck
preußischer Gesandter beim Bundestag in Frankfurt am
Main. Zunehmend bekämpfte er hier die führende Rolle
Österreichs im Deutschen Bund, trat für die kleindeutsche
Einheitsidee und die Gleichstellung Preußens gegenüber
Österreich ein.
Am 21. September 1862 sucht der preußische Kriegsminister
Albrecht von Roon den neuen König Wilhelm I.
in Babelsberg auf und bittet ihn, Otto von Bismarck zum
Ministerpräsidenten zu berufen. Daraufhin fragt der König
Bismarck, ob er auch stark genug sei, die Militärreorganisation
zu übernehmen und sich auch gegen das
Parlament durchzusetzen. Bismarck bejaht: „Ich fühle
mich wie ein kurbrandenburgischer Vasall, der seinen
Lehnsherrn in Gefahr sieht. Was ich vermag, steht Eurer Majestät zur Verfügung.“ König Wilhelm I. antwortet:
„Ich sehe ganz genau voraus, wie das alles enden wird.
Auf dem Opernplatz, vor meinen Fenstern, wird man
ihnen den Kopf abschlagen, und etwas später mir.“ Bismarck
lächelt: „Ja, dann sind wir tot. Aber sterben müssen
wir früher oder später doch, und können wir anständiger
umkommen? Ich selbst für die Sache meines Königs,
und Eure Majestät, indem Sie ihre königlichen Rechte
von Gottes Gnaden mit dem eigenen Blut besiegeln...“
So erhielt Bismarck für seine Regierungstätigkeit weitgehende
Freiheiten und regierte budgetlos gegen das Parlament,
dem er offen den Kampf ansagte. „Nicht auf
Preußens Liberalismus sieht Deutschland, sondern auf
seine Macht; Preußen muss seine Kraft zusammenfassen
und zusammenhalten auf den günstigen Augenblick,
der schon einige Male verpasst ist; Preußens Grenzen
nach den Wiener Verträgen sind zu einem gesunden
Staatsleben nicht günstig; nicht durch Reden und Majoritätsbeschlüsse
werden die großen Fragen der Zeit entschieden
– das ist der große Fehler von 1848 und 1849
gewesen –, sondern durch Eisen und Blut.“
Nachdem er Russland fest auf seiner Seite wusste, vereitelte
er den Versuch Österreichs 1863, die deutsche
Frage in seinem Sinne zu lösen und Preußen zu schwächen.
In der Krise um Schleswig-Holstein 1863/64
zwang Bismarck Dänemark, Holstein an Österreich und
Schleswig an Preußen abzutreten, wodurch erneut eine
gemeinsame Neuordnung des Deutschen Bundes unter
Österreich und Preußen möglich gewesen wäre. Erst
1866, nach dem Scheitern der friedlichen Möglichkeiten,
betrieb Bismarck die militärische Konfrontation mit
Österreich, wobei nun auch die längerfristige Perspektive
einer Verbindung mit den süddeutschen Staaten an
Bedeutung gewann.
Am 3. Juli 1866 beginnt der verlustreiche Angriff der
preußischen Armee bei Königsgrätz, dem die Österreicher
anfangs widerstehen können. König Wilhelm, Bismarck,
General Moltke und Kriegsminister Roon betrachten
die Schlacht von einem Hügel aus. Die preußischen
Truppen werden erstmals in der Kriegsgeschichte mit
der Eisenbahn an die Front gebracht. Bismarck fragt den Generalstabschef Moltke: „Was haben
Sie für den Fall des Rückzuges
beschlossen?“ Die Antwort kommt
prompt: „Hier wird nicht zurückgegangen.
Hier geht es um Preußen!“
Moltkes Strategie „Getrennt marschieren
und vereint schlagen“ bringt
den Sieg für Preußen.
Der überraschende
Erfolg
führt zur Umstimmung
der Meinung
über Bismarck. Bismarck
schonte im
darauffolgenden Prager
Frieden die süddeutschen
Staaten
und rundete das
preußische Gebiet
durch die Einverleibung
Hannovers,
Kurhessens, Nassaus
und der freien Stadt
Frankfurt in Preußen
ab. Mit der Gründung
des Norddeutschen
Bundes gelang
es ihm wenig später,
bereits eine erste Stufe
zur Reichseinheit zu erklimmen.
Vorsichtig führte er nun die
misstrauischen Süddeutschen an den
Einheitsgedanken heran, immer im Auge behaltend, dass die bayerische
Selbständigkeit durch engere
Verbindung zu Preußen nicht gekränkt
werden dürfe.
Frankreich forderte für den Machtzuwachs
Preußens eine Kompensation.
Als Spanien sich nun auch noch
einen Hohenzollernprinzen auf den
Thron wünschte, verstärkte sich der Konflikt zwischen Preußen und Frankreich.
Ein französischer Gesandter
kam nach Bad Ems, wo König Wilhelm
I. weilte, um einen ewigen
Verzicht der
Hohenzollern auf den spanischen Thron zu
erwirken. Bismarck gab eine Meldung
dazu heraus, die einige Details
vernachlässigte und hervorhob, dass die Franzosen in ungebührender
Weise aufgetreten seien,
der König deshalb weitere diplomatische
Maßnahmen ablehnte.
Die als „Emser Depesche“
in die Geschichte eingegangene
Nachricht Bismarcks
hatte folgenden Wortlaut:
„Nachdem die Nachricht
von der Entsagung des Erbprinzen von Hohenzollern der
Kaiserlich Französischen Regierung
von der Königlich Spanischen amtlich
mitgeteilt worden sind, hat der
Französische Botschafter in Ems an
S. Maj. den König noch die Forderung
gestellt, ihn zu autorisieren, dass
er nach Paris telegraphiere, dass S.
Maj. der König sich für alle Zukunft
verpflichte, niemals wieder seine Zustimmung zu geben, wenn die Hohenzollern
auf ihre Kandidatur wieder
zurückkommen sollten.
Seine Maj. der König hat es darauf
abgelehnt, den Franz. Botschafter
nochmals zu empfangen, und
demselben durch
den Adjutanten
vom Dienst sagen
lassen, dass S. Majestät
dem Botschafter
nichts weiter
mitzutheilen habe.“
Nach dem erfolgreichen
Feldzug Moltkes
gegen Frankreich
1870/71 nutzte
Bismarck die geschichtlich
einzigartige
Chance, am 18.
Januar 1871 in Versailles
das Deutsche
Reich neu zu begründen.
Sogar der
bayerische König
Ludwig II. schrieb
bereits im Dezember
1870 an Bismarck:
„Groß, unsterblich ist das, was Sie
für die deutsche Nation gethan haben,
und ohne zu schmeicheln, darf
ich sagen, dass Sie in der Reihe der
großen Männer unseres Jahrhunderts
den hervorragendsten
Platz einnehmen.
Möge Gott
Ihnen noch
viele, viele
Jahre verleihen,
damit
Sie fortfahren können zu wirken für das Wohl und Gedeihen
unseres gemeinsamen Vaterlandes.“ |
Ein Flügel des Gutes Schönhausen I und das Gärtnerhaus
sind heute Bismarck-Museum. 1891 wurde im Herrenhaus des Gutes Schönhausen
II das offizielleBismarck-Museum eingerichtet, 1948 aber aufgelöst.Bismarck-Museum
Schönhausen/Elbe Bismarck-Str. 2, 39524 Schönhausen Telefon:
03 93 23 - 3 88 74, Fax: 3 99 60, Internet: www.schoenhausenelbe.de/museum/
Bismarck als Student - historisches Bild vom Denkmal auf der Rudelsburg (Foto: H.- Joachim Mellies)
Bismarck hatte großen Einfluss auf die Politik des preußischen
Königs Wilhelm I., den er - fast gegen seinen
Willen - zum Deutschen Kaiser machte. Wilhelm I.
schrieb: „es ist nicht leicht, unter diesem Kanzler Kaiser
zu sein“. (Foto: Archiv Bismarck-Museum Jever)
Die Kaiserproklamation im Versailler Schloss am 18. Januar 1871 -
Gemälde im Bismarck-Museum Friedrichsruh
Abschiedsadresse der Berliner Bürger 1890
(Foto: Archiv Bismarck-Museum Jever) |