Magdeburg erhielt
2009 die wiedererstandene Marmorstatue der Luise, Königin von
Preußen, zurück. Als die Statue 1901 im Luisen-Garten errichtet
wurde, galt sie einem vaterländischen Idol aus der Zeit napoleonischer
Unterdrückung. Hoch ragte sie auf aus den Gestalten des ausgehenden
18. Jahrhunderts und ganz besonders die preußischen Untertanen
erlebten mit ihr eine Landesmutter, auf die sie 46 lange Jahre während
der Regierung Friedrichs des Großen und Friedrich Wilhelms II.
verzichten mussten. Beide Herrscher hatten dem Volk die Mutterfigur
der Königin vorenthalten.
Luise Auguste Wilhelmine Amalie, Prinzessin zu Mecklenburg-Strelitz
wurde in Hannover geboren, wo ihr Vater, Herzog Karl zu Mecklenburg,
als Gouverneur die Stammlande des englischen Königs verwaltete.
Bereits mit sechs Jahren verlor sie die Mutter, vier Jahre danach
die Stiefmutter (eine jüngere Schwester der Mutter). Die sechs
Kinder des Herzogs wurden getrennt und Luise wuchs mit ihren beiden
Schwestern bei der Großmutter auf. Viele Reisen, so auch viele
Besuche bei Goethes Mutter in Frankfurt, öffneten den Blick der
jungen Prinzessin und machten sie für ein, gemessen an damalige
Maßstäben, unkonventionelles Leben zugänglich. Nicht
vordergründig die formelle Etikette des Ständestaates, sondern
bürgerliche Lebensauffassungen bestimmten das Verhalten der mit
leichtem hessischen Dialekt sprechenden blonden, blauäugigen
Schönheit. Denn schön war sie ihr späterer Schwiegervater
war von ihr ganz hin- und hergerissen. Sein Wunsch, dass der Kronprinz
Friedrich Wilhelm sich in sie verlieben solle, ging schnell in Erfüllung.
Am 14. März 1793 begegnete sich das Traumpaar zum ersten Male,
am 19. März machte der Kronprinz seinen Heiratsantrag und am
24. April fand in Darmstadt die Verlobung statt. Wenn das nicht Liebe
auf den ersten Blick war! Bereits am 24. Dezember des gleichen Jahres
wurde Luise die Frau des späteren Königs Friedrich Wilhelm
III. Ein Verstoß gegen die Etikette legte bei ihrer Ankunft
in Berlin am 22.12.1793 den Grundstein für ihre Beliebtheit bei
der Bevölkerung. Als ihr nämlich ein kleines Mädchen
ein Willkommensgedicht aufsagte, stieg sie aus der Kutsche, hob das
Kind hoch und küsste es. Konsterniert reagierte die Begleitung
der Braut. Sie musste noch viel lernen, um sich am preußischen
Hof ordentlich zu benehmen. Allerdings machte es ihr Friedrich
Wilhelm III. leicht, der sich im privaten Bereich gegen alle höfische
Etikette wehrte und auf ein im bürgerlichen Sinne gestaltetes
Familienleben Wert legte. Trotzdem waren sie sehr unterschiedlich.
Friedrich Wilhelm galt als ruhig, wenig entscheidungsfreudig und gutmütig.
Der König war in der Kette seiner Vorgänger und Nachfahren
der schwächste preußische Herrscher. Luise hingegen war
gesellig und risikofreudig. Bei Bällen eröffnete sie meist
den Tanz mit dem jeweiligen Hausherren. Sie galt als Walzerkönigin,
egal ob in Preußen, Österreich oder Russland. Als Friedrich
Wilhelm III. im November 1797 mit 27 Jahren König von Preußen
wurde, war die neue Königin Luise gerade 21 Jahre.
Friedrich Wilhelm III. machte pflichtgemäß seine Reisen
zu den Revuen (Truppenschauen) und Huldigungen in die preußischen
Provinzen. Die Königin begleitete ihn dabei gerne und kam erstmalig
vom 25. bis zum 28. Mai 1799 nach Magdeburg. Quartier fand sich in
der Domprobstei. Im Domdechantenhaus fand am 26. Mai ein Ball zu Ehren
des neuen Königspaares statt. Am 5. Juli 1799 kam sie nach Dieskau
und besuchte von hier aus Halle mit dem berühmten Waisenhaus
und Pädagogium (Franckesche Stiftungen). Eine Vielzahl von Besuchen
brachte Luise das heutige Sachsen-Anhalt näher. In Halberstadt
überreichten ihr die Töchter der Stadt am 29. Mai 1805 ein
Gedicht. Ihr Weg führte sie weiter nach Wernigerode, von wo aus
sie den Brocken besuchen wollte. Bereits die Besichtigung des Ilsetals
war durch regnerisches Wetter beeinträchtigt. Auf dem Brocken
verhinderte ein Schneetreiben am 30. Mai den erhofften Ausblick. Bei
der Rückfahrt von Bayreuth nach Berlin, besuchte sie schließlich
Dessau.
Als im August und September 1806 durch Berlin ständig Truppen
zogen, begeisterte Luise diese, wenn sie sich in der Uniform ihres
Dragonerregimentes Ansbach-Bayreuth zeigte. Es war das erste von einer
Königin geführte Regiment. In ihm diente Ferdinand von Schill
bis Mai 1809, als er dem König den Gehorsam verweigerte und mit
seiner Freischar gegen Napoleon zog. Königin Luise schenkte ihm
1808 eine rote Brieftasche mit der Widmung: Für den braven
Herrn von Schill, Königsberg, den 21. May 1808. Louise.
Vorher begleitete sie den König, der zwar Kriegs- aber nicht
Feldherr war, Mitte September 1806 nach Naumburg. Dort wurden die
Truppen zusammengestellt, mit denen Preußen gegen Napoleon ziehen
wollte. Kurz vor der Schlacht kehrte Luise nach Berlin zurück.
Bei dieser Reise übernachtete sie am 16. Oktober 1806 in Tan-germünde.
Als Ehefrau und Mutter gilt Luise als vorbildlich, hat sie doch in
17 Ehejahren zehn Kinder zur Welt gebracht, von denen sieben das Erwachsenenalter
erreichten. Durch Kaiser Wilhelm I. war sie sogar mehr als 60 Jahre
nach ihrem Tod noch Kaisermutter geworden.
Der verlorenen Doppelschlacht von Jena und Auerstedt folgte der Tilsiter
Frieden mit dem Verlust des halben Territoriums und größeren
Teilen der Bevölkerung als Tiefpunkt bisheriger preußischer
Geschichte. Dieses Schicksal zu mildern war die Königin auf Vorschlag
des Grafen Kalckreuth aus ihrem Exil nach Tilsit gekommen, um Kaiser
Napoleon in einem Gespräch um milde Friedensbedingungen zu bitten.
Ihre Wirkung auf Männer war bekannt und so hoffte man, dass auch
der galante Franzose sich betören lassen würde. Doch dieser
betrachtete Preußen nicht mehr als Verhandlungspartner und machte
bei Luise keine Ausnahme. In einem einstündigen Gespräch
verhielt er sich sehr liebenswürdig und bot ihr eine Rose an,
doch ehe sie sie nahm, antwortete Luise: Wenigstens mit Magdeburg.
Gemeint war wohl nicht die Festung allein, sondern das gesamte Herzogtum.
Obwohl dieser Wunsch ohne Antwort blieb, hoffte die Königin nach
dem Gespräch auf Erfüllung dieser Bitte. Vergeblich. Auf
den Status einer verarmten Mittelmacht herabgewürdigt, erlebte
Luise die Befreiungskriege und den Wiederaufstieg ihres Landes nicht
mehr. Mit einem zerstörten Lungenflügel und einem Polypen
im Herzen starb sie, als Königin der Herzen, am 19. Juli 1810
in Hohenzieritz, dem Schloss ihres Vaters. Ihre Jugend, ihre Schönheit,
ihr Patriotismus, ihre bürgerlichen Tugenden und ihre Religiosität
wurden idealisiert und ihre Gestalt bis ins 20. Jahrhundert als Idol
gefeiert. Die Zeiten haben sich geändert, heute sind wir nüchterner.
von Peter Baumann |
Die weltberühmte Prinzessinnengruppe von Schadow zeigt Luise
links und ihre Schwester Friederike - das Original befindet sich
im Alten Museum Berlin.
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