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Stadt und Festung Magdeburg
werden nach langer Belagerung befreit

Schon einen Monat vor der für die ver- bündeten Preußen, Sachsen, Österreicher, Russen und Schweden so siegreich, aber auch so verlustreich ausgegangenen Völkerschlacht bei Leipzig im Oktober 1813 standen die ersten alliierten Truppen vor den Mauern der Stadt und Festung Magdeburg. Noch im Juli 1813 hatte Napoleon persönlich den weiteren Ausbau der Festung inspiziert. Die Vorstädte Sudenburg und Neustadt vor den Bastionen waren großflächig abgerissen worden, um ein besseres Schussfeld zu garantieren. Aber all das half nun nicht mehr viel. Natürlich war es den verbliebenen französischen und den mit ihnen verbündeten ca. 20.000 Verteidigern in der Festung möglich, diese über einen großen Zeitraum zu halten. Doch es war ihnen keineswegs gegeben, noch den Verlauf des Krieges zu ändern. Dazu war die Besatzung einfach zu gering. Zudem man bedenken muss, dass die Besatzer nicht unbedingt geliebt wurden. Den Bürgern war nicht nur auferlegt, die fremden Soldaten unterzubringen und zu beköstigen, zudem musste die männliche Bevölkerung bis ins 70. Jahr bei den Festungsarbeiten unentgeltlich schuften. Auch die ständig neu aufgelegten Kriegskontributionen, welche die Franzosen von den Einwohnern einforderten, waren schon längst nicht mehr bezahlbar. Die Zwangsmaßnahmen wurden nun, nachdem sie von Preußen und Russen umringt waren, sehr viel härter - auch wenn der französische Kommandant in Magdeburg Le Marois nicht zu den schlimmsten Vertretern zählte. Schon Mitte September 1813 forderte die französisch diktierte Westphälische Regierung von den Magdeburger Kaufleuten, sie sollen Kriegsanleihen in Höhe von einer Million Franc zeichnen. Der Zorn stieg und es wurde schwer für die Besatzer, ihre Forderungen umzusetzen. Durch das Inhaftieren von einigen Kaufleuten konnten die ersten Zahlungen eingetrieben werden. Doch auch das genügt nicht. Per Erlass wurden nun zudem noch alle Kassen der Verwaltung beschlagnahmt. Bald ist die Gefahr eines Aufstandes in Magdeburg so groß, dass der Gouverneur am 29. November 1813 einen Galgen auf dem Alten Markt errichten lässt. Und da bereits seit 2. Februar 1812 für Magdeburg der Belagerungszustand gilt, sind Standgerichte und sofortige Hinrichtungen rechtlich möglich. Schon im Januar 1814 wird ein erster Bürger wegen Unterstützung eines holländischen Deserteurs an jenem Galgen getötet.

20.000 Soldaten, teils auch Verwundete, sowie 30.000 Magdeburger Bürger zu versorgen, war aber, da sich der Belagerungsring um die Festung mehr und mehr schloss, ein gewaltiges Problem. Le Marois reagierte darauf, in dem er durch einen Erlass allen Magdeburgern das Verlassen der Stadt problemlos ermöglichen wollte. Über 1.300 Magdeburger Familien nutzen bis Ende Februar 1814 diese Möglichkeit, um den weiteren Repressalien sowie möglichen Krankheiten oder gar einem Hungertod zu entgehen. Doch die Versorgungslage verschlimmert sich weiter, als ein sehr harter Winter seinen Anfang nahm. Erst wurden nun alle Verwundeten aus der Stadt gebracht, dann durften erste deutsche Soldaten gehen, die einst zu den Verbündeten Napoleons gehörten, wie z.B. die vom Königreich Sachsen oder jene aus dem besetzten Teil Preußens.

Doch im Gegenzug der Dezimierung der zu Versorgenden begann nun das militärische Eintreiben von allem Nötigen für die in der Festung verbliebenen Soldaten. Für die umliegenden Magdeburger Ortschaften wie Ottersleben, Olvenstedt oder Fermersleben hieß das Aderlass. Ständig drangen militärische Einheiten in die Ortschaften ein und beschlagnahmten vor allem Mehl, Korn und Vieh.

Als der harte Winter sich seinem Ende zu neigte, kam es nun zu der für Magdeburg - aber auch für die weiteren noch immer von den Franzosen besetzten Festungen - wohl kuriosesten Situation. Am 30. März 1814 gelang es den verbündeten Armeen, Napoleon in Paris vollends zu schlagen. Nun könnte man meinen, der Krieg und damit auch die Besatzung hätte ein Ende. Doch genau das blieb nur ein Wunschtraum für die Bürger. Denn obwohl Napoleon sogar vom französischen Senat als Kaiser abgesetzt und in die Verbannung auf die Insel Elba geschickt wird, bleiben alle noch gehaltenen Eroberungen in französicher Hand. Soll heißen, Magdeburg bleibt französisch besetzt. Und während die Magdeburger Bevölkerung und die aller Ortschaften in der Nähe weiter darbt, wird in Paris ein neuer Bourbonenkönig auf den Thron gesetzt. Am 21. April wird die rot-weiß-blaue Trikolore vom Rathaus genommen und das Lilienbanner der Borbonen aufgezogen, die französische Garnison wird auf Ludwig XVIII. eingeschworen. Die Magdeburger stehen diesem Tun etwas ratlos gegenüber und hoffen auf die Belagerer, die das Zepter rund um die Festung nun fest in der Hand halten, sie hoffen auf die kampferprobten Russen unter ihrem General Ilowoisky und die preußischen Freiwilligen unter General Tauentzien. Bereits am 16. April begannen erste Verhandlungen zwischen den Belagerern und dem französischen Kommandanten. Und das diese Verhandlungen trotz all der eindeutigen Fakten sich doch nicht allzu einfach gestalteten, beweist wohl die Tatsache, dass sich die verhandelnden Parteien erst knapp einen Monat später zu einem von beiden Seiten akzeptablen Prozedere einigen konnten.

Endlich, am 16. Mai 1814, verlassen die ersten 4.000 Besatzungssoldaten geordnet die Festung. Es sind die der verbündeten Armeen Frankreichs wie Holländer, Spanier, Italiener. Bis zum 23. Mai folgen die französischen Verbände dem Weg aus der Festung. In wenigen Stunden organisierte nun die Stadt Magdeburg einen feierlichen Empfang für die Befreier unter General Tauentzien, welche dann am 24. Mai 1814 um 8 Uhr ihren Einzug durch das Magdeburger Krökentor hielten. Es war eine gigantische Zeremonie. Tauentzien erhielt ein neues Reitpferd, die Bürgerkrone, einen Bürgerpokal, Schild und Schwert, neue Standarten, Trompeten und von den Fischerstöchtern sogar einen Elblachs. Der feierliche Zug endet auf dem Domplatz. Hier fand an einem gesondert errichteten Altar ein Dankesgottesdienst statt. Gegen Abend wurden alle Fenster der Stadt von den Bewohnern beleuchtet. Für die damalige Zeit war diese „freywillige Illumination“ eine ganz besondere Inszenierung. Während von den Wällen wieder und wieder die Kanonen donnerten. Die Freude war so groß, dass noch viele Tage und Nächte lang Bälle mit den Befreiern gefeiert wurden.

Axel Kühling

 

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