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letzten Teil unserer Artikelserie zum Jubiläum Anhalts gehen
wir noch einmal ein paar Schritte zurück und schauen auf die
wirtschaftliche Entwicklung Anhalts seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts.
Anhalts Wirtschaft entwickelte sich in der Zeit der Industrialisierung
und der Gründerzeit ähnlich sprunghaft, wie dies bspw.
in Magdeburg oder dem Halle-Merseburger Raum geschah. Interessant
ist z.B., dass zwei Jahre nach dem Beginn des Steinsalzabbaus 1859
im preußischen Staßfurt, sich Anhalt daran von Leopoldshaller
Seite beteiligte. Roßlau, Coswig und Dessau partizipierten
natürlich gewaltig von den steigenden Transportleistungen auf
der Elbe, nach dem der Elbzoll 1870 abgeschafft wurde. Erwähnt
seien hier die Gebrüder Sachsenberg aus Roßlau, die 1866
innerhalb ihrer Eisengießerei und Maschinenfabrik eine Schiffswerft
errichten ließen, die bis 1944 erheblich expandierte, nach
1945 als VEB weitergeführt, firmiert sie noch in anderer Form
als Roßlauer Schiffswerft.
1841 wurde Köthen der erste Bahnknotenpunkt Deutschlands, nachdem
1840 bereits die Magdeburg-Leipziger Eisenbahngesellschaft hier
einen Bahnhof betrieb, war nun die Berlin-Anhaltische Eisenbahnstrecke
hinzugekommen.
Am 7. August 1887 wurde dann die Eisenbahnstrecke zwischen Gernrode
und Mägdesprung eröffnet, die sich über viele Erweiterungen
alsbald Anhaltische Harzbahn nannte und heute noch als Selketalbahn
bekannt ist.
Interessant ist, dass von 1910 bis 1911 zwischen Dessau und Bitterfeld
die erste elektrifizierte Versuchsstrecke der Reichsbahn gebaut
wurde. Natürlich war das auch auf das Braunkohlerevier bei
Bitterfeld zurückzuführen. Ab 1907 gab es eine Straßenbahnlinie
zwischen Dessau und Roßlau, die aber nach der Zerstörung
Dessaus 1945 nicht wieder eingerichtet wurde.
Das Unternehmen mit dem weltweit bedeutendsten Ruf ist ohne Frage
das von Hugo Junkers (1859 - 1835) im Jahre 1889 als Versuchsstation
für Gasmotoren gegründete Junkerswerk. Das während
der Erprobung von ihm fast nebenbei erfundene Kalorimeter bildete
die profitabelste Erfindung seiner gesamten Laufbahn. Das Kalorimeter
war ein Messgerät zur Bestimmung der Wärmemenge. Mit einer
gewissen wirtschaftlichen Sicherheit, die sein Werk abwarf, wandte
er sich nun ganz der Entwicklung von Dieselmotoren sowie seinem
Traum, der Flugzeugkonstruk-tion zu. Der erste Weltkrieg wirkte
sich auch auf das Dessauer Junkerswerk aus. Schnell stellte Junkers
seine Produkte auf kriegstypische Erzeugnisse um. Feldküchen,
Feldbetten, Feldbadewannen, Gefäße für den Essentransport,
aber auch Zünder sowie Geschosse gehörten zum Produktionsprogramm.
1914 erhielt Hugo Junkers genau jenen Auftrag, der ihn weltberühmt
machen sollte. Es galt ein Flugzeug aus Metall zu entwickeln. Ein
Jahr später startete die J 1, das erste Ganzmetallflugzeug
der Welt zu ihrem Erstflug. Waren die ersten Flugzeuge noch aus
Eisenblech, wurde ab 1916/17 Duraluminium benutzt. 1919 erhielt
Hugo Junkers die Erlaubnis, auf der Strecke Dessau-Weimar und nach
Berlin den Flugverkehr mit Flugzeugen aufzunehmen. Nach dem Ende
des Ersten Weltkrieges war es Deutschland nicht mehr gestattet,
Flugzeuge zu bauen - Junkers reagierte und ließ diese im Ausland
fertigen. 1926 war er Mitbegründer der Deutschen Luft Hansa,
1931 fertigte er die dreimotorige JU 52, die legendäre Tante
Ju. Im Krisenjahr 1932 verkaufte er seine Gasthermen- und
Badeöfenpro-duktion an Bosch, um liquide zu bleiben.
Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 (in Dessau
war die NSDAP bereits nach den Wahlen 1932 an der Macht) weigerte
Junkers sich strikt, seine Flug-zeugproduktion auf Rüstung
umzustellen. Innerhalb weniger Monate wurde er zur Übergabe
all seiner Patentrechte gezwungen, erfolgte die verordnete Übergabe
seiner Dessauer Aktien an das Ministerium und wurde ihm nicht nur
der Zugang zu seinen Werken verwehrt, sondern auch ein Aufenthalt
in Dessau verboten. Hugo Junkers gründete in München die
Forschungsanstalt Professor Hugo Junkers GmbH, um sich
der Entwicklung von Metallhäusern zu widmen, und starb am 3.
Februar 1935 in Gauting bei München. Die Junkerswerke wurden
nun zu einer der wichtigsten Säulen der deutschen Luftrüstung.
Tausende Flugzeuge wie der bald zum Sinnbild des Blitzkrieges gewordene
Sturzkampfbomber Ju 87 oder der mittlere Bomber Ju 88 wurden in
Dessau und den vielen Zweigwerken gebaut.
Auch das Bauhaus, welches erst 1925 nach Dessau gekommen war, und
dem solch bedeutende Künstler wie Lyonel Feininger, Paul Klee,
Gropius und Kandinsky angehörten, musste 1932 Dessau wieder
verlassen. Dennoch schufen sie in Dessau in dieser kurzen Periode
eine Vielzahl einzigartiger Gebäude.
1935 wurde die Stadt Roßlau (Elbe) zeitweise in die Stadt
Dessau eingemeindet, um Dessau als Gauhauptstadt des Gaues Magdeburg-Anhalt
zu vergrößern. Der Freistaat musste bereits 1934 - wie
alle Territorien in Deutschland - die Souveränität und
die Hoheitsrechte an das Deutsche Reich übertragen und hörte
damit de facto auf zu existieren.
In Dessau, Roßlau, Bernburg, Köthen und Zerbst wurden
nun Kasernen ausgeweitet oder neu errichtet, Fliegerhorste entstanden
in Bernburg und Zerbst. Zum Kriegsende wurden besonders die Innenstädte
von Dessau und Zerbst von den alliierten Bombenangriffen erheblich
zerstört, teils bis zur Unkenntlichkeit.
Auf Anordnung werden 1946 die ehemalige preußische Provinz
Sachsen (ohne den Regierungsbezirk Erfurt) und der Freistaat Anhalt
zum Land Sachsen-Anhalt vereint. Ab 1952 gehört der größte
Teil Anhalts zum Bezirk Halle, nur der Zerbster Teil kommt zum Bezirk
Magdeburg. Am 3. Oktober 1990 erfolgte dann die Neubildung des Landes
Sachsen-Anhalt.
Axel Kühling
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Links die Junkers J1 - das erste
Ganzmetallflugzeug der Welt
Bild oben: Wappen & Fahne des Freistaates Anhalt
Bild Mitte: Der legendäre Sturzkampfbomber Ju 87 - Sinnbild
des Blitzkrieges
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