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Johann Gottlieb Fichtes
Vorlesungen, Aufsätze und Reden heute zu lesen ist wie ein Beweis
dafür, dass bedeutende Worte niemals nur für einen Augenblick
Gültigkeit besitzen. Es wird einem warm ums Herz, man möchte
Fichte am liebsten die Hand schütteln, einen Dank aussprechen,
für all die Wahrheit, all die besondere Herzlichkeit und Tiefe,
die in seinen Worten liegt, wenn man es denn noch könnte. Ein
Glücksfall stand an Fichtes jungem Leben. Ein Herr von Miltitz
hatte die Predigt verpasst, Fichte bot sich an, diese Predigt zu wiederholen.
Er tat es so perfekt, dass dieser Herr ihm ab sofort die Ausbildung
bezahlte. Doch Fichte, dieser große deutsche Idealist, dieser
phantastische Menschenfreund und Philosoph musste nach diesem Glücksfall
- seine Heirat einmal ausgespart - stets um seine Ehre und Lehre kämpfen.
In einer gottesfürchtigen Zeit als Atheist verschrien, wurde
er wieder und wieder befeindet. In seiner Redeüber die Würde
des Menschen 1794 in Zürich nahmen gerade mal 6 Zuhörer
teil.
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Johann Gottlieb Fichte
19.5.1762 in Rammenau bei Bischofswerda geboren
1774 Ausbildung an der Fürstenschule Pforta
1780/81 Studium an den Universitäten Jena und
Leipzig, Seminare in Wittenberg
1784 Abbruch des Studiums wegen fehlender
Mittel - arbeitet als Hauslehrer in Zürich
1791 als Hauslehrer in Warschau, Danzig und
Königsberg - lernt Immanuel Kant kennen
1793 Heirat mit Johanna Rahn - erste Veröffentlichung
von politischen Schriften
25.4.1794Vorlesung „Über die Würde des Menschen“
1794 - 99 Philosophieprofessur an der Universität Jena
- Veröffentlichung der „Grundlagen der
gesamten Wissenschaftslehre“
1799 Ausschluss wegen atheistischer Ideen
1804 bedeutende Vorlesungen über die
Wissenschaftslehre in Berlin
1805 Lehrstuhl Philosophie in Erlangen
1807 Zensor einer Zeitung in Königsberg
1808 Veröffentlichung der „Reden an die Nation“
1810 Dekan an der Universität Berlin
29.1.1814 in Berlin am Lazarettfieber verstorben |
Bis heute hat diese Vorlesung
die ganze Welt beeinflusst. „Ich schreibe und gebe
heraus nur für diejenigen, die unsere Schriften lesen
wollen; ich begehre keinen zu zwingen; ... Ich will es
tun, noch ehe mein Scheiterhaufen gebaut ist; ich will,
solange ich mir noch Gehör zu verschaffen hoffen kann,
so laut, so warm, so kräftig sprechen, als ich es vermag.
... Aber selbst, wenn ich wissen könnte, dass ich bestimmt
sei, die unzähligen Opfer, welche
schon für die Wahrheit fielen, um eines zu
vermehren, so müßte ich doch noch meine letzte Kraft
aufbieten, um Grundsätze in das Publikum bringen zu
helfen, welche wenigstens diejenigen sichern und retten
könnten, die nach mir dieselbe Sache verteidigen
werden.“
Doch kommen wir in jene Zeit, als Deutschland von Napoleon
überrannt wurde und sich allmählich ein nationaler
Widerstand regte. Fichte war 1808 einer der ersten,
der sich mit aller Kraft in nacheinander 14 Reden
an die Nation wandte, um sie zu mobilisieren, um sie zu
einen und vor allem in ihren Gedanken zu stärken. Einige
kleine Auszüge sollen nur anregen, denn es ist allzu viel, was Fichte uns vor 200 Jahren zu sagen hatte.
Dennoch bitte ich darum, seine Worte nicht mit heutigem
Wissen um die Geschichte zu messen. Er war ein
Kind seiner Zeit, die nach deutscher Einheit schrie, sich
nicht von fremder Macht vereinnahmen lassen wollte
und darum warb, einen Brand zu entfachen, Deutschland
von einer Besatzung zu befreien. Axel Kühling
Leicht bearbeitete Auszüge aus dem Originaltext:
„Welcher Edeldenkende will nicht und
wünscht nicht, in seinen Kindern und wiederum
in den Kindern dieser, sein eigenes Leben
von neuem, auf eine verbesserte Weise,
zu wiederholen und in dem Leben derselben veredelt
und vervollkommnet auf dieser Erde noch fortzuleben,
nachdem er längst gestorben ist? Welcher Edeldenkende
will nicht durch Tun oder Denken ein Samen korn streuen zu unendlicher immerfortgehender Vervollkommnung
seines Geschlechts, etwas Neues und vorher
nie Dagewesenes hineinwerfen in die Zeit, das in
ihr bleibe und nie versiegende Quelle werde neuer
Schöpfungen; so dass dieser Einzelne, wenn auch nicht
genannt durch die Geschichte dennoch in seinem eigenen
Bewusstsein und seinem Glauben Denkmale hinterlasse,
dass auch er dagewesen sei?
Der Glaube des edlen Menschen an die ewige Fortdauer
seiner Wirksamkeit auf dieser Erde gründet sich
auf die Hoffnung der ewigen Fortdauer des Volks, aus
dem er selber sich entwickelt hat und der Eigentümlichkeit
desselben, ... Sein Glaube und sein Streben, Unvergängliches
zu pflanzen, sein Begriff, in welchem er sein
eigenes Leben als ein ewiges Leben erfasst, ist das
Band, welches zunächst seine Nation und vermittelst
ihrer das ganze Menschengeschlecht,
innigst mit ihm selber verknüpft und ihrer aller
Bedürfnisse, bis aufs Ende der Tage, einführt in sein erweitertes
Herz. Dies ist seine Liebe zu seinem Volke, es
achtend, vertrauend, desselben sich freuend, mit der
Abstammung daraus sich ehrend. Die Liebe, die wahrhaftig
Liebe sei, und nicht bloß eine vorübergehende Begehrlichkeit,
haftet nie auf Vergänglichem, sondern sie erwacht
und entzündet sich und ruht allein in dem Ewigen.
Volk und Vaterland in dieser Bedeutung, als Träger und
Unterpfand der irdischen Ewigkeit liegt weit über dem
Staat im gewöhnlichen Sinne des Worts. Eben darum
muss diese Vaterlandsliebe den Staat selbst
regieren, als durchaus oberste, letzte und unabhängige
Behörde, vor allem, indem sie ihn beschränkt in
der Wahl der Mittel für seinen nächsten Zweck, den
innerlichen Frieden. Freiheit, auch in den Regungen des äußerlichen Gebens,
ist der Boden, in welchem die höhere Bildung keimt; ...
So viel ist klar, dass ein Volk der Freiheit bedarf, dass
dieses das Unterpfand ist seines Beharrens. Und dies ist
das erste Stück, in Rücksicht dessen die Vaterlandsliebe
den Staat selbst regieren muss. Sodann muss sie es sein,
die den Staat darin regiert, dass sie ihm selbst einen
höhern Zweck setzt, (als) der Erhaltung des innern Friedens,
des Eigentums, der persönlichen Freiheit, des Lebens
und des Wohlseins aller. Für diesen höhern Zweck
allein, und in keiner andern Absicht, bringt der Staat
eine bewaffnete Macht zusammen.
Aus allem geht hervor, dass der Staat, als bloßes Regiment
des im friedlichen Gange fortschreitenden menschlichen
Lebens, nichts Erstes und für sich selbst Seiendes,
sondern dass er bloß das Mittel ist für den höhern Zweck
der ewig fortgehenden Ausbildung des rein Menschlichen
in dieser Nation; dass es allein das Gesicht und
die Liebe dieser ewigen Fortbildung ist, welche immerfort
die höhere Aussicht über die Staatsverwaltung führen
soll, und welche, wo die Selbstständigkeit des Volks
in Gefahr ist, allein dieselbe zu retten vermag.
Möchte Leichtgläubigkeit und die Sucht, auch fein und
vornehm zu leben, wie die andern Völker, uns nicht die
entbehrlichen Waren, die in fremden Welten erzeugt
werden, zum Bedürfnisse (werden); möchten wir lieber
unserm freien Mitbürger erträgliche Bedingungen
(schaffen), als vom Schweiße und Blute
eines armen Sklaven jenseit der Meere Gewinn
ziehen zu wollen: so hätten wir wenigstens nicht selbst
den Vorwand geliefert zu unserm dermaligen Schicksale
und würden nicht bekriegt als Abkäufer und
zu Grunde gerichtet als ein Marktplatz.“ |
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